von Tobias Jakober
Ledrig gelb windet sich der Drahtwurm durch den lockeren Boden. Ein nicht zu stillender Durst und Hunger treiben ihn an. Immer weiter dehnt und streckt er sich blind durch die dunkle Erde, bis endlich sich vor ihm ein Füllhorn an Nahrung auftut. Er gräbt sich hinein in die frische und saftige Knolle, die ihm endlich die Flüssigkeit geben kann, nach der er so lange gedürstet hat. Gierig saugt er sich voll, schmatzt, bis er dick und prall sich müde zurückzieht und hinter ihm ein dunkles Tor in der noch kräftigen Knolle zurücklässt.
Die Rede ist von Drahtwürmern, den Larven des Schnellkäfers. Und genau diese Löcher in den Kartoffeln und die angeknabberten Wurzeln der jungen Mais- und Getreidepflanzen sind es, die die Insekten zu so ungeliebten Schädlingen machen. Mit ihrem Wühlen, Fressen und Dürsten verursachen sie an manchen Orten in Österreich Ausfälle bis zu 80% der eigentlichen Ernte. Vor allem die Kartoffeln sind da empfindlich. Diese bohren sie eigentlich nur wegen der in ihnen gespeicherten Feuchtigkeit an. Die zurückgelassenen Bohrlöcher in den Knollen sind jedoch Einfallstore für Sekundärinfektionen – die Knolle beginnt zu schimmeln und wird schlecht.
Von Drahtwurm angebohrte Kartoffel
(c) Michael Brunner
Gerade weil die Drahtwürmer ein so massives Problem für die Bäuerinnen und Bauern darstellen, hat sich das Forschungsteam rund um Professor Michael Traugott und seinen Doktoranden Michael Brunner vom Institut für Zoologie der Uni Innsbruck damit befasst, wie man sie bekämpfen kann – und das ganz ohne den Einsatz von Giften.
Das Problem der Drahtwürmer ist nämlich kein neues. Nur war in der Vergangenheit das Mittel der Wahl, um sie zu bekämpfen, jede Menge Insektengift. Zum Glück für andere Insekten, wird der Umgang mit Insektiziden in der Landwirtschaft immer sorgsamer. Aber: dadurch muss man sich jetzt wieder mit den Schädlingen herumschlagen – eben auf andere Art und Weise.
Pflanzliche Verlockungen
Den ewig hungrigen Drahtwürmern wird ein noch viel köstlicheres Gericht aufgetischt als es schnöde Kartoffeln, Mais- oder Getreidewurzeln sind. Unwiderstehlich lockt den Drahtwurm diese andere Pflanze. Er lässt ab von der schon lustlos angeknabberten Wurzel und wühlt sich erwartungsvoll durch das Erdreich. Vor ihm tut sich eine Tafel auf und der Drahtwurm schlägt sich den Magen voll. Er wähnt sich wohl schon im Insektenhimmel – da wird er schonungslos von kalten Menschenfingern aus dem Schutz des Bodens herausgezogen. Für den Wurm geht es aufs Ende zu, denn keine Gnade kennt die Neugier des Forschers.
Dieser Forscher will nämlich untersuchen, womit genau sich der ungeliebte Drahtwurm nun seinen Bauch vollgeschlagen hat. Die Larve zu sezieren, bringt keine Ergebnisse. Einzelne Pflanzenreste lassen sich auch unter dem Mikroskop beim besten Willen nicht identifizieren. Grund dafür ist die extraorale Verdauung des Drahtwurms, die die Pflanzenteile bereits zersetzt, bevor sie in den Magen gelangen. Mithilfe einer DNA-Analyse gelingt es aber schließlich doch: und tatsächlich hat der Drahtwurm den Köder geschluckt. Die Lockpflanzen, die zwischen die Maiskultur gesetzt wurden, waren für den Wurm die attraktivere Alternative – die jungen Maispflanzen blieben verschont. Einen solchen Versuchsaufbau mit Mais- und Lockpflanzen hat das Forschungsteam um Professor Traugott schon vor zehn Jahren durchgeführt – mit Erfolg. Schädlinge nicht direkt zu bekämpfen, sondern sie von den wichtigen Ertragspflanzen einfach wegzulocken ist dabei nicht neu – aber das Team der Uni Innsbruck hat die Methode zum ersten Mal auch bei Drahtwürmern verwendet.
Lockpflanzen zwischen den Reihen von Maispflanzen am Versuchsfeld in Imst
(c) Michael Brunner
Der Tod, ein Pilz
Heute experimentiert das Forschungsteam aus Innsbruck weiter. Sie wollen den Erfolg von vor zehn Jahren noch ausbauen. Sie streuen Pilzsporen zwischen die Streifen von Lockpflanzen. In dem dort von den Lockpflanzen gut feucht gehaltenen Boden kann der Pilz prächtig gedeihen. Den Pflanzen tut er keinen Schaden an – zu spüren bekommen ihn aber die Drahtwürmer.
Denn dieser Pilz befällt den Artgenossen des zuvor sezierten und analysierten Wurms – auch ihm schmecken die Lockpflanzen um ein Vielfaches besser. Der Appetit vergeht ihm aber bald. Von einer Krankheit infiziert, einem Pilz befallen, ist das Schicksal des Drahtwurms besiegelt – er stirbt ganz unausweichlich nach der Infektion. Nichts sonst konnte ihm je etwas anhaben, zu zäh ist die Abwehr des kleinen Wurms, aber gegen den Pilz hat er keine Chance.
Dieser insektenpathogene Pilz wirkt nämlich speziell auf Drahtwürmer tödlich. Er kommt natürlicherweise im Boden vor, aber das Team von Professor Traugott hat es gezielt und in großer Dichte in die Erde bei den Lockpflanzen eingebracht. Andere Insekten oder Pflanzen bleiben von der Wirkung des Pilzes dabei völlig unbehelligt.
Attract and kill, so heißt diese Methode und der Name ist bezeichnend: zuerst werden die Schädlinge von den Lockpflanzen angezogen, dann rafft der Pilz sie fort. Etwas zu finden, dass die Drahtwürmer töten kann, ist aber gar nicht so einfach. Bevor sie zu Schnellkäfern werden, leben die Larven drei bis vier Jahre im Boden – damit sie so lange überleben können, sind sie von Natur aus mit einem sehr robusten Abwehrsystem ausgerüstet.
Forschen für die Praxis
Die Untersuchung am Forschungsbauernhof der Uni Innsbruck in Imst kann effektive und gleichzeitig schonende Wege aufzeigen, wie Drahtwürmer bekämpft werden können auch ohne Giftkeule. Für Professor Traugott ist es auch besonders wichtig, dass die Erkenntnisse des Experiments auch praxistauglich sind. Deshalb wird bei diesem Projekt auch mit Bäuerinnen und Bauern sowie Landwirtschaftsexperten zusammengearbeitet.
Für dieses Jahr ist die Untersuchung beendet und die Ernte (an Erkenntnissen) eingebracht. In den nächsten zwei Jahren soll der Aufbau zuerst mit Getreide dann mit Kartoffeln wiederholt werden. Damit kann man auch erstmals an einem einzelnen Standort beobachten, wie sich die Drahtwurmbelastung bei fortdauernder Bekämpfung entwickelt.