Montag, Dezember 30

Die große Digitalrevolution der kleinen Münzen?

von Sarah Huemer |

Die Macht der kommerziellen Banken könnte schrumpfen, das digitale Geld wachsen. Wo uns in naher Zukunft eine große Transformation des Geldsystems bevorsteht, schildert Jürgen Huber von der Universität Innsbruck.

Silberbarren aus dem alten Babylon, Muscheln aus Indonesien und Papierscheine aus Europa – auf den ersten Blick drei Dinge, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Und doch eint sie eine Funktion: Sie alle wurden und werden als Zahlungsmittel verwendet. „Geld hat sich immer sehr verändert und wird sich auch bald nochmal dramatisch verändern“, so Jürgen Huber, Leiter des Instituts für Banken und Finanzen an der Universität Innsbruck. Gemeint ist digitales Zentralbankgeld, dessen Einführung die Finanzwelt in den nächsten Jahren wohl revolutionieren wird und Bürgern ermöglicht, ihr Geld direkt bei der Zentralbank zu lagern. Zurzeit ist das nur geschäftlichen Banken vorbehalten.

Doch fürs bessere Verständnis einen Schritt zurück. Geld hat in einer Gesellschaft drei wesentliche Funktionen: Es ist Zahlungsmittel, Rechnungseinheit und Wertaufbewahrungsmittel. Letzteres impliziert, dass der Wert einer Geldeinheit, etwa eines Euros, über längere Zeit einigermaßen stabil bleibt. Dadurch unterscheidet sich Geld auch von Kryptowährungen wie Bitcoin. Denn anders, als deren Name vermuten lässt, sind diese keine „echten“ Währungen. „Ein großes Problem mit Bitcoin ist die Volatilität, sie schwanken derzeit circa 10 Prozent pro Tag. Das ist keine gute Wertaufbewahrungsfunktion“, so Huber.

Geldschaffung aus dem Nichts

Doch Geld ist nicht gleich Geld. Es wird zwischen Zentralbankgeld und Geschäftsbankengeld unterschieden – je nachdem, wo es kreiert wurde. Es gibt zwei Institutionen, die Geld erschaffen können: Zentralbanken und kommerzielle Banken. Erstere haben das Monopol, Bargeld – Banknoten und Münzen – zu drucken. Zudem leihen sie Geld an kommerzielle Banken, wodurch wiederum frisches Geld in den Kreislauf kommt.

Früher war die Schaffung von neuem Geld an physische Güter, wie etwa Edelmetalle, gekoppelt. So gab es im 19. und 20. Jahrhundert den Goldstandard. Dieser besagte, dass nur so viele Banknoten gedruckt werden durften, wie auch Gold im jeweiligen Land gebunkert war. Eine solche Regulierung gibt es nicht mehr, das heutige Geld wird als Fiatgeld bezeichnet und basiert vollkommen auf dem Vertrauen der Bürger.  „Rein theoretisch kann somit unendlich viel Geld geschaffen werden“, so Huber. Praktisch jedoch eher weniger. Denn die Hauptaufgabe der Zentralbanken ist es, für eine stabile Währung zu sorgen – kommt zu viel Geld in Umlauf, so droht eine Hyperinflation. In diesem Fall – schon vorgekommen in der Weimarer Republik 1933, Zimbabwe 2008 oder in den letzten Jahren in Venezuela – schwindet das Vertrauen der Bürger in die Währung, sie flüchten in andere Zahlungsmittel und stabilere Währungen.

Neben den Zentralbanken fungieren auch Geschäftsbanken als Geldschöpfer, indem sie sogenanntes „Giralgeld“ schaffen. Das ist jenes Geld, das Bankkunden auf ihren Konten halten. Stellt nun eine Bank einem Kunden einen Kredit bereit, so erzeugt sie in diesem Zuge Giralgeld auf dem Girokonto dieses Kunden. Ein Teil dieses neuen Geldes ist durch die Spareinlagen der Bankkunden gedeckt. Doch nicht alles. „Banken können mehr Kredite vergeben, als sie Spareinlagen von ihren Kunden haben“, so Huber. Dahinter steckt die Annahme, dass nicht alle Kunden gleichzeitig ihr Erspartes von der Bank zurückfordern werden und somit die Bank mehr verleihen kann, als sie eigentlich an Kapital von ihren Sparern hat. Rund 10% der Kreditsumme muss die Bank als Eigenkapital halten, dazu ist sie rechtlich verpflichtet. Der restliche Geldbetrag wurde von der Bank erschaffen. Dieser scheint somit zwar in der Bilanz der Bank auf, wird jedoch nicht gedruckt (denn das ist nur der Zentralbank erlaubt) und verschwindet wieder, sobald der Kredit zurückbezahlt wurde.

Keine Zinsen, keine Erträge

Ihr Hauptgeschäft machen Banken seit über 600 Jahren damit, dass die Zinsen, die Kreditnehmer bezahlen, höher sind als jene Zinsen, die Sparer auf ihre Einlagen bekommen. Früher war diese Differenz oftmals bei über 3 Prozent (zum Beispiel 1 Prozent Zinsen auf Spareinlagen, 4 Prozent Zinsen für den Kredit). In den letzten Jahren sind die Zinsen jedoch drastisch gefallen, sodass den Banken oft kaum noch 1 Prozent an Gewinnspanne zwischen Krediten und Spareinlagen bleibt. Der Leitzins der Europäischen Zentralbank ist gar auf -0,5 Prozent gefallen. Das bedeutet, dass Banken für ihre eigenen Einlagen bei der Zentralbank bezahlen müssen, anstatt Zinsen zu erhalten. „Banken verdienen im Zinsgeschäft deutlich weniger als sie früher verdient haben. Darüber hinaus sind sie massiv von Fintechs, Startups und auch den Zentralbanken unter Druck“, so Huber.

Multinationale Privatunternehmen haben angekündigt, ihre eigenen digitalen Währungen zu gründen, so etwa die Facebook’sche Lyra. Aus Sorge um die Wirksamkeit ihrer Geldpolitik planen deshalb auch Zentralbanken ihr eigenes digitales Geld – was bei Geschäftsbanken für Unruhe sorgt. Denn dadurch würden Bürger in Zukunft sehr wahrscheinlich ein Bankkonto direkt bei der Zentralbank eröffnen können. Ein Teil der Sparer würde somit von den kommerziellen Banken zu den Zentralbanken abwandern und ersteren fehlen somit immer mehr Kunden, deren Spareinlagen sie sonst zu Krediten transformieren würden. Ein Todesstoß für ihr Geschäftsmodell. Um dem zu prävenieren, könne eine Obergrenze an Geld, das auf einem Konto der Zentralbank gelagert werden darf, notwendig sein, so Huber. Laut aktuellen Planungen der Europäischen Zentralbank sollen Bürger im Euro-Raum maximal 3000 digitale Euro bei der Zentralbank ansparen können. Dadurch werden den Banken ihre Kunden kaum entzogen und ihre Existenz somit zumindest ein Stück gesichert. Bei wem Bankenrettung in Erinnerung an die Finanzkrise 2008 nun ein flaues Gefühl in der Magengegend auslöst, sei beruhigt. Hier geht es nicht darum, Staatsgeld in die Bilanz der Banken zu pumpen. Es ist vielmehr das Ziel, ein Reglement zu schaffen, um die Kreditvergabe durch Banken auch weiterhin günstig zu ermöglichen und sie nicht in riskantere Anlagen zu drängen, um ihre Eigenkapital aufzustocken.

Der gläserne Sparer?

Eine weitere Herausforderung, die die Einführung des digitalen Zentralbankgeldes mit sich bringt, ist der Datenschutz. Erstmals wäre es einer staatlichen Institution möglich, die Transaktionen ihrer Bürger zu verfolgen. In Europa habe Huber hier weniger Bedenken, doch „gerade für autoritäre Regime ist so etwas sehr willkommen“. So hat etwa die Chinesische Zentralbank bereits ein Feldexperiment mit 500.000 Nutzern an digitalem Zentralbankgeld gestartet. Und somit ist ein Land beim Zentralbankgeld Pionier, das in puncto Datenschutz eher auf der globalen Zuschauerbank sitzt. In einzelnen Ländern könnten Bürger durch das Zentralbankgeld für den Staat um eine weitere Facette durchsichtiger werden – und somit auch kontrollierbarer.


Information

Das Institut für Banken und Finanzen an der Universität Innsbruck legt in der Forschung auf vier Kernbereiche den Fokus. Dazu gehören Projekte zur Finanzbildung bei Kindern und Jugendliche. Zudem werden in psychologischen Experimenten das menschliche Verhalten untersucht – zum Beispiel wie neue Regulierungen, etwa die Einführung einer CO2-Steuer, wirken würden. Mit Experimenten wird auch untersucht, wie „Vertrauensgüter“ (etwa Autoreparaturen) zu gestalten sind, damit die Kunden darauf vertrauen können, das zu erhalten, was sie benötigen. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt auf der Replizierbarkeit von Studien. Darüber hat „Makademia“ bereits in einem anderen Artikel im Gespräch mit Felix Holzmeister berichtet.

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