Montag, Dezember 23

EntLARVT: Ökologische Vielfresser

von Sarah Huemer
Lesedauer: 3 – 4 min.

Fliegen sind lästig und können nichts außer nervtötend surren. Nicht ganz. Manche Fliegen sind anders – wie zum Beispiel die Schwarze Soldatenfliege. Doch was genau macht diese Fliege so einzigartig, dass ihr ein ganzes Forschungsgebiet gewidmet wird? 

Unterschätzte Lebewesen

Thomas Klammsteiner und Carina Desiree Heussler gehen dem vielfältigen Potenzial der Schwarzen Soldatenfliege an den Instituten für Mikrobiologie und Ökologie an der Uni Innsbruck nach. Besonders aus ökologischer Perspektive lohnt es sich, die Schwarze Soldatenfliege und ihre Larven etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn der Nachwuchs ernährt sich hauptsächlich von verdorbenem organischen Material, darunter auch: unser Bioabfall. Die Weibchen legen ihre Eier in der Nähe dieser Futterquelle ab, daraus schlüpfen die Larven und diese wiederum fressen sich durch die biologisch abbaubaren Essensreste. Nach rund zweiwöchigem Dauerschlemmen bestehen die Larven größtenteils aus Fett und Proteinen. Sie werden zu Puppen und zwei Wochen später schlüpfen daraus die adulten Schwarzen Soldatenfliegen, verpaaren sich und der Kreislauf beginnt erneut. 

Larven der Schwarzen Soldatenfliege: Je dunkler sie sind, desto älter sind sie auch.

So weit, so gut. Doch wo genau liegt nun das ökologische Potenzial dieser Insekten? Als biologische Abfallverwerter sind die Larven eine günstige und nachhaltige Alternative zu Biogas- und Kompostieranlagen. Das bietet sich besonders in Entwicklungsländern an, denn dort herrscht oft ein Mangel an Kapazitäten für eine umweltfreundliche und hygienische Entsorgung des Bioabfalls. Aber nicht nur: „Auch hier bei uns könnte es sein, dass wir irgendwann an unsere Grenzen stoßen, weil die Bevölkerung steigt und so auch die Bioabfälle. Daher sollte man auch immer dranbleiben, ein effizientes System zu finden, um Abfälle zu verwerten.“, erklärt Carina Heussler. Ein positiver Nebeneffekt dieser Art von Abfallverwertung: Die Ausscheidungen der Larven sind sehr stickstoffhaltig, weshalb die Reste aus dem Abbauprozess auch gut als Düngemittel verwendet werden können.

Eine weitere Stärke der Schwarzen Soldatenfliege ist ihre Fähigkeit, das Wachstum krankheitserregender Bakterien (wie Salmonellen oder E. coli) zu hemmen. Die Larven produzieren sogenannte antimikrobielle Peptide, die wie ein Massenimmunsystem wirken und schädliche Bakterien in Schach halten. Besonders bei ihrem Einsatz in Entwicklungsländern ist das ein großer Vorteil, denn Abfälle werden dort sonst oft vergraben oder in Flüssen entsorgt. Dadurch können schädliche Bakterien ins Grundwasser und in die Umwelt gelangen, Krankheiten sind die Folge. Geschieht die Abfallverwertung durch die Larven, kann das verhindert werden.

Noch ein zentraler Faktor in puncto Nachhaltigkeit ist der Einsatz der Larven als proteinreiches Futtermittel. Umweltschädigendes Sojamehl, das üblicherweise als Futtermittel für Geflügel und in der Fischzucht verwendet wird, kann durch die Verfütterung der Larven substituiert werden. Zahlreiche Unternehmen, darunter auch Ecofly aus Österreich, sehen in der Zucht der Larven und deren Verkauf als Futtermittel enormes Geschäftspotenzial. Aufgrund von geltenden EU-Verordnungen ist die Anwendung aber zurzeit noch beschränkt.  Bis dato kommen die Larven hauptsächlich in der Fischzucht als Futtermittel zur Anwendung. Doch Marktanalysen zeigen, dass der Insektenmarkt stark am Steigen ist. „Da ist viel Druck dahinter und viele Geflügelzüchter wollen auch selbst vom Soja weg“, so Thomas Klammsteiner. Ein Fakt am Rande: Hunde vertragen die Insektenproteine bestens und deshalb könnten Insekten auch als hypoallergenes Hundefutter der Zukunft avancieren. 

Doch ganz so einfach ist es nicht …

„… denn man muss die Fliegen schon etwas besser kennenlernen“, schildert Carina. Was sie damit meint? Insekten brauchen optimale Bedingungen, um sich zu vermehren. Dazu gehören der pH-Wert des Bioabfalls, ausreichend Licht im richtigen Wellenlängenspektrum, eine Temperatur zwischen 25°C und 30°C sowie ca. 60% relative Luftfeuchtigkeit. Zudem muss das richtige Verhältnis zwischen Abfall und Larven herrschen: Sind es zu wenig Larven, ist Schimmelbildung die Konsequenz. Sind es zu viele, ist nicht ausreichend Nahrung verfügbar und die Larven wachsen nicht. Und auch das sogenannte Ernten der Larven will gelernt sein. „Es ist am besten, wenn man sie kurz vor der Verpuppung erntet, weil sie dort die Spitze der Biomasse erreichen. Ab dem Zeitpunkt, wo sie sich anfangen zu verpuppen, verbrauchen sie ihre eigene Biomasse, weil sie keine Nahrung mehr aufnehmen und die ganze Energie in die Entwicklung der Fliege stecken“, so Thomas. Weitere umweltbedingte Einflussfaktoren auf die Entwicklung der Larven werden zurzeit noch erforscht. Besonders die Rolle von Mikroorganismen steht dabei im Fokus. Beispielsweise riechen die Weibchen bei der Eiablage bestimmte Stoffe, sogenannte flüchtige organische Verbindungen, die von im Abfall lebenden Mikroorganismen produziert werden. Dadurch wissen die Weibchen genau, wo sie zur Eiablage hinfliegen müssen. Wie die Kommunikation zwischen den Mikroorganismen und den Fliegen genau abläuft, wird derzeit eruiert.

Für weitere Infos: www.fromwastetofeed.wordpress.com

Thomas Klammsteiner Carina Desiree Heussler

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