Women empower women, Frauen helfen Frauen, women lift women up.
Publikum: Bewegt man sich nicht zu einem gewissen Grad in einem Teufelskreis, wenn man an die Auswahl von Kandidatinnen oder Kandidaten denkt? Wenn man schon im Vorhinein sagt, dass man nur mit Frauen zusammenarbeiten will und ein reines Frauenteam als Basis für Veränderung nimmt. Braucht es nicht auch diese Intersektionalität? Wie sieht es aus, wenn man in einem neuen Bereich den Anfang für Gleichberechtigung schaffen will? Sollte man hier nicht alle Seiten miteinbeziehen? Wie sieht das in Sri Lanka aus?
Burtscher: Also das ist eine sehr gute und eine sehr wichtige Frage, weil auf jeden Fall women’s empowerment nur gemeinsam erreicht werden kann. Also es braucht natürlich auch Männer, die für Frauen aufstehen und sich einsetzen. Bei uns in Sri Lanka nutzen wir das Surfen als Mittel für empowerment in unserem Projekt und die Frauen erlangen dadurch mehr Selbstbewusstsein. Um allerdings wirklich eine Veränderung herbeiführen zu können, braucht es strukturelle Veränderungen und hier tut sich auch sehr viel im Persönlichen. Wenn man sich Entscheidungsprozesse innerhalb der Familie anschaut, wo viele Mädchen oder Frauen um die Erlaubnis bei ihren Vätern oder Ehemännern bitten, da hilft es auch nicht, wenn sie selbstbewusst durch das Surfen sind. Sie benötigen immer noch die Zustimmung. Deshalb müssen sich dann auch die Erwartungen und die Meinungen der Männer verändern bzw. die Geschlechterrollen generell aufbrechen. Es braucht auf jeden Fall unterstützende Männer. Im Projekt arbeiten wir wirklich in einem reinen Frauenteam, weil es uns darum geht, diesen safe space zu kreieren und schließt deswegen keine Männer mit ein. Für manche Familien wäre das wieder ein Grund, ihre Tochter nicht in unsere Surfschule zu schicken. Wir versuchen auf jeden Fall daran zu arbeiten, dass sich diese Gendernormen aufbrechen und dafür zu sensibilisieren. Wir führen sehr viele Gespräche mit den Männern. In unserem Fall hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass viele Männer auch ihre Meinung bereits geändert haben und jetzt sehr proaktiv für die Frauen aufstehen und sich einsetzen. Wie in der Einleitung bereits erwähnt, gab es am Anfang sehr viel Widerstand gegen Frauen, die surfen. Das war etwas Neues. Frauen, die gegen die Norm gehen und diesem neuen Bild der Frau wurde erstmal mit Widerstand begegnet. Heuer wurde von der Regierung offiziell kundgetan, dass die Frauen etwas Positives zu Community beitragen. Es gibt immer mehr männliche Surfer, die sich dafür einsetzen, dass mehr Frauen surfen können. Dadurch, dass sich diese Haltung schon verstärkt hat, ist das jetzt die allgemeine Haltung. Frauen dürfen surfen und einige Männer finden Surferinnen auf einmal gut. Wenn nur einer dafür einsteht, dann entgegnen ihm viele Gegenargumente, aber wenn mehrere dieser Meinung sind, dann wird diese Sicht normalisiert. Ich glaube, das ist da sehr wichtig. Auf jeden Fall geht Geschlechtergleichberechtigung nur gemeinsam mit Männern.
Publikum: Ich hätte eine Frage an Frau Burtscher. Habt ihr vor, eure Organisation noch weiter zu expandieren? Bleibt der Fokus weiterhin auf Sri Lanka, oder sind auch für umliegende Inseln oder Indien Surfschulen geplant? Wird es in anderen Ländern auch Schwimmkurse von euch geben? Ich kann mir vorstellen, dass auch in umliegenden Ländern eine ähnliche Situation vorherrscht. Wie sieht es in anderen Ländern mit der Schwimmquote aus? Können die Menschen schwimmen?
Burtscher: Das Problem ist, dass viele Frauen nicht schwimmen können, aber auf Inseln wie auf den Malediven oder Indonesien leben. Wir haben auch in der Vergangenheit schon ein paar cross-cultural, cross-national collaborations gehabt. Wir haben zum Beispiel vor zwei Jahren das iranische Frauensurfnationalteam nach Sri Lanka gebracht, damit sie dort gemeinsam trainieren können. Wir haben unsere SeaSisters und die iranischen Surferinnen zusammengebracht und haben so die Erfahrungen ausgetauscht. Das war sehr inspirierend. Da konnten auch dann die iranischen Frauen von unserer Methodologie eine Kiste mitnehmen und dann in ihren Projekten anwenden. Im letzten Jahr hatten wir auch am International Womens Day eine Surferin aus Indien bei uns in Sri Lanka sind ihre Es ist sehr schön einfach, wenn man sieht, was sich allein durch den Austausch schon tut und was sie davon mitnehmen können. Wir bekommen regelmäßig Anfragen aus anderen Ländern. Ich glaube letzte Woche kam eine Anfrage aus den Malediven, wo sich eine Frau für ein ähnliches Projekt einsetzt. Dabei geht es um ocean safety und environmental education. So leicht ist es dann gar nicht, diese Idee zu expandieren. Wir überlegen aktuell, wie wir die Methodologie, wie wir unterrichten, am besten teilen können. Das Ziel wäre es, dass wir unsere Idee weiter zu verbreiten, aber die Umsetzung ist schwerer als gedacht. Dafür braucht es starkes Leadership vor Ort, finanzielle und zeitliche Ressourcen. Jedenfalls wäre der Bedarf da, nur besteht die Schwierigkeit darin, wie man das Projekt woanders umsetzen kann und wie die Finanzierung funktionieren soll. Wer übernimmt die Verantwortung? Bei uns im Projekt ist man mit viel Verantwortung konfrontiert, beispielsweise wenn jemand Nicht-Schwimmerin ist und man gemeinsam ins Meer geht. Es gibt sehr wohl Sicherheitsstandards, die wir erfüllen müssen. Wie gesagt, unser Projekt ist mit einem sehr großen logistischen und personellen Aufwand verbunden. Das Ziel wäre die Expansion unseres Projekts, nur versuchen wir momentan noch für die Herausforderungen Lösungen zu finden.
Publikum: Ich hätte eine konkrete Frage. Ich kenne es, in einer Disziplin zu sein, in der nicht so viele Frauen vorhanden sind. Ich habe letztes Semester Workshops für Informatik an der TU Wien gemacht und ich hatte dann oft das Problem, dass mich die anderen Studierenden weniger respektiert haben, weil ich eine Frau bin. Deswegen frage ich mich, wie man damit umgeht. Wie soll man auf männlichen Studierende reagieren, die oft sagen, man könne das nicht und eine andere Erwartungshaltung mir als Frau gegenüber haben? Mich hatte das schon gestört und auch irritiert.
Allgemeiner gefragt: Vorurteile sind nicht nur in den wissenschaftlichen Disziplinen angesiedelt. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Haben Sie sich als Frau im akademischen Bereich, in der Forschung oder in Führungspositionen beweisen müssen?
Schneider-Muntau: Ich kann diese Erfahrung teilen, aber Gott sei Dank kommt diese Situation nicht so oft vor. Ich merke schon, dass man sich erst einmal beweisen muss. Meist wird meinen männlichen Kollegen der Vertrauensbonus als Vorteil mitgegeben, dass sie das können. Mir wird das Vorurteil mitgegeben, das ich meinen Beruf nicht kann. Deshalb muss ich mich beweisen. Danach geht es meistens leichter. Gleiches erlebe ich auch in Diskussionsrunden und mit Studierenden, unabhängig ob männlich oder weibliche Studierende. Viele sind mir gegenüber erstmal skeptisch, gerade auch in dem Fach der Computeranwendungen, welches ich unterrichte. Dort ist es immer schwierig. Es gibt andere Disziplinen, die mir eher zugetraut werden, aber die Computeranwendungen sind ein Fach, in dem ich am längsten mit dieser Skepsis zu kämpfen hat. Meine Strategie ist, immer am Anfang ein bisschen stärker aufzutrumpfen und ein paar intelligente Aussagen zu treffen und dann funktioniert es meistens ganz gut. Natürlich ist es mühsam, dass man sich immer beweisen muss und dass man immer zuerst diese Vorurteile ausräumen muss.
Flatscher-Thöni: Also ich glaube, das ist uns allen schon passiert. Wortmeldungen bei wissenschaftlichen Konferenzen, wie beispielsweise: „Die junge Kollegin hat da aber komische Ideen.“ Diese ständige und oftmals erfahrene Degradierung kommt nicht nur von Studierenden, sondern auch von Kolleginnen und Kollegen. Das hat gar nicht ausschließlich mit dem männlichen Geschlecht zu tun. Am Ende des Tages muss man beweisen, dass man das, was man macht, sehr gerne tut und vor allem auch richtig gut kann. Man muss zeigen, mit welcher Motivation man den Job macht. Ich kann mich da nur Barbara anschließen. Gerade bei Studierenden macht mir das wahnsinnig viel Spaß, wenn, vor allem männliche Studierende, skeptisch sind und viel hinterfragen und ich letztlich doch mehrfach Situationen hervorrufen kann, in denen das Fragezeichen bei ihnen und nicht bei mir steht. Es ist definitiv eine Herausforderung. Wenn es um die Lehre geht, ist diese Degradierung nicht immer einfach, weil eine Gruppendynamik dahintersteckt und damit eine gewisse Stimmung im Hörsaal einhergeht. Man sollte diese Situation einfach als Herausforderung und Chance sehen, dass man sich nochmal beweist, indem man gut vorbereitet ist und eine gute Lehrveranstaltung macht.
Publikum: Ich spreche jetzt im Namen von Juvenilia Club Innsbruck. Wir sind eine regionale Initiative, aber meine Frage ist auch für andere lokale Initiativen interessant. Haben sie persönliche Tipps oder Vorschläge, wie wir als Organisation oder als Initiativen in Tirol female empowerment betreiben können? Sollen wir schon an Schulen ansetzen? Reicht es schon bei den Studierenden, dieses Bewusstsein dafür zu schaffen? Sollen wir derartige Veranstaltungen, wie zum Beispiel die heutige Paneldiskussion, machen? Haben sie persönlich Erfahrungen oder Erfahrungswerte gesammelt, die sie mit uns teilen könnten? Wie können wir female empowerment vorantreiben? Wie können wir Mädchen und Frauen für Forschung oder zur Selbstgründung ihres Unternehmens begeistern?
Burtscher: Ich arbeite aktuell in Innsbruck bei Setup. Das steht für Social Entrepreneurship Tirol und wir unterstützen Gründerinnen, ihr eigenes soziales Projekt oder Social Startup zu gründen. Was hier auffällt, ist, dass sich vor allem Frauen schwieriger tun, ihre eigene Idee zu finden und wirklich konsequent durchzusetzen. Da wäre auf jeden Fall der Tipp oder die Aufforderung an Frauen, sich einfach zu trauen und mal zu machen. Mir persönlich hat das sehr geholfen, dass ich mit Amanda, die aus den USA kommt, arbeiten konnte. In den USA herrscht diese Mentalität: Jedes Projekt scheitert einmal, bevor man etwas erfolgreich gründet. Vorab fährt man ein Startup erst an die Wand. Also da herrscht diese „Let’s do it“-Mentalität und dass man sich nicht von anderen abhalten lassen soll. Bei uns hingegen hat man Angst, was andere Leute dazu sagen. Man könnte vielleicht scheitern oder nicht so gut dastehen. Deswegen wäre der Tipp, einfach mal zu machen. Sollte man scheitern, dann lernt man am meisten daraus. Aktuell sind im deutschsprachigen Raum ca. 18 Prozent von den Gründerinnen von Startups weiblich. Hier wäre auf jeden Fall female Leadership gefragt. Dafür gibt es Initiativen wie bei uns bei Setup, wo man hinkommen kann und solche Ideen auch unterstützt werden.
Dingler: Ich kann mich allem bereits Gesagten nur anschließen. Das eine ist, erstmal diese Degradierung transparent und sichtbar zu machen. Ich sehe das beispielsweise sehr oft in der Lehre, dass zunächst die Kurse belächelt werden. Wenn man über empirische Geschlechterforschung oder Frauen in der Politik spricht, dann höre ich oft die Aussage: „Naja, aber so schlimm ist die Situation gar nicht für Frauen.“ Dieses Sichtbarmachen ist ganz wichtig. Es gibt viele Probleme in unserem Alltag, die wir gar nicht wahrnehmen oder die wir unbewusst einfach mit uns führen. Wie vorhin gesagt, wenn man nicht länger darüber nachdenkt, dann schaffen wir es vielleicht erstmal nur Männer aufzulisten. Wenn wir in unserem Alltag und in Medien schauen, dann sehen wir einfach, dass wir keine Gleichstellung und keine Gleichbehandlung vorfinden. Ich glaube, das Sichtbarmachen ist wichtig, weil es eine größere Akzeptanz schafft. Gleichzeitig glaube ich, dass es super wäre, in den Schulen anzufangen. Hier wird auch schon viel suggeriert, was Mädchen können sollten und was Jungs können sollten bzw. was sie nicht können sollten und was sie auch nicht sein sollten. Hier werden schon einseitige Rollenbilder für Jungs und Mädchen geschaffen. Heute wurde auch schon ein anderes Problem angesprochen. Vielen Männern ist oftmals gar nicht bewusst, dass sie ebenfalls unter der Situation ein Stück weit leiden. Auch für Männer ist in diesem Konstrukt eine klare Rolle vorgesehen. Viele wollen dieser Rolle vielleicht gar nicht entsprechen. Beispielsweise Männer, die sagen, sie wollen sechs oder zwölf Monate in Karenz gehen, haben mit sehr vielen Hürden und Widerständen zu kämpfen. Deshalb ist es wichtig, diese transparent zu machen, schon frühzeitig aufzufangen, diese Geschlechterrollen aufzuzeigen und hier Initiativen zu ergreifen.
Wenn wir vom Organisationsniveau zum individuellen Level wechseln, was wäre Ihre „Take-Home-Message“ für diejenigen, die heute zuhören? Wie kann man als Individuum female empowerment vorantreiben? Was sind ihre Tipps? Welche Rolle spielt das Wissen hierbei? Was möchten sie den Zuhörenden noch mitgeben?
Flatscher-Thöni: Was man auf jeden Fall mitnehmen soll und was tagtäglich eine Herausforderung als Frau, aber auch generell als Mensch darstellen kann, ist, dass man sich sichtbarer macht, dass man sich herausfordernden Situationen stellt und dass man sich auch bewusst in herausfordernde Situationen bringt. Das könnte beruflich so aussehen, dass man sich beispielsweise für Professoren/Professorinnenstellen bewirbt, die man sich selber noch gar nicht zutraut. Man sollte es einfach machen! Gerade männliche Kollegen trauen sich in der akademischen Welt oft mehr zu. Deswegen glaube ich, wir sollten sichtbarer werden. Wir sollten lauter werden und wir sollten klar zu dem stehen was wir können.
Schneider-Muntau: Das sehe ich auch so. Was ich euch allen noch gerne mitgeben möchte, ist: Glaubt an euch und sucht euch Menschen, die auch an euch glauben! Holt euch immer wieder das Feedback, dass ihr sehr gut seid und dass ihr das könnt. Es gibt genug Leute, die genau das Gegenteil behaupten werden, aber mit denen muss man sich nicht unbedingt umgeben. Umgebt euch lieber mit denen, die an euch glauben.
Burtscher: Das sind auch genau die beiden Tipps, die mir auf die Schnelle eingefallen wären. Traut euch einfach! Und umgebt euch vor allem mit den Leuten, die euch unterstützen! Zweifler und Zweiflerinnen wird es immer geben, aber man sollte sich nicht davon abhalten lassen, wie man das eigene Leben lebt.
Dingler: Ich kann dem Gesagten gar nicht viel hinzufügen. Natürlich ist es wichtig, dass man sich nicht Grenzen von anderen einreden lässt. Man muss sich darauf konzentrieren. Tut das, was euch Spaß macht, weil man in den Sachen einfach gut ist und so bringt man sein Wissen auch am besten und authentisch rüber. Entsprechend kann man da erfolgreich sein, ganz egal, in welcher Form man erfolgreich-sein definieren möchte. Gleichzeitig ist es wichtig, dass man konstruktives Feedback annimmt, weil dadurch einfach viel gelernt und mitgenommen werden kann. An Kritik darf man nicht verzweifeln und das ist auch ein Problem, was bei Frauen öfters vorkommt. Wenn es ein Feedback gibt, das nicht hundertprozentig positiv ist, dass Frauen dann gleich ins Zweifeln geraten. Stattdessen sollte man versuchen, das Feedback zu nutzen, um Dinge tatsächlich zu verbessern.
Im Anschluss an die Paneldiskussion wurde noch im kleineren Rahmen über Themen diskutiert, die unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer beschäftigt haben. Vielen Dank von Seiten der drei Organisatoren Club Alpbach Tirol, Juvenilia Club Innsbruck und Makademia an unsere Speakerinnen, dass sie sich die Zeit genommen haben und die Diskussion durch ihre Expertise bereichert haben. Unsere gemeinsame Veranstaltung war ein voller Erfolg!