von Simon Schöpf
Lesedauer: ca. 4 min.
„Der Weltraum, unendliche Weiten“ – Star Trek Fans wissen, was nun auf sie zukommt: Abenteuer auf fremden Planeten mit ebenso fremden Zivilisationen, Beamen und Warpgeschwindigkeit. Was auf dem Raumschiff Enterprise (oder in vielen anderen Science-Fiction Filmen und Serien) jedoch sehr selten angesprochen wird, ist welche Nahrung die Protagonist*innen zu sich nehmen. In Star Trek wird dies geschickt umschifft mit dem „Replikator“ bzw. ähnlichen Erfindungen, die Lebensmittel für die Crew produzieren. Und in der berühmten Chestburster-Szene in „Alien“ (1979) war die Crew auch gerade beim Essen ihrer „artifiziellen Nahrung“, als das Alien beschloss, seinen Ernährungsplan zu „erweitern“. Was mit dieser künstlichen Nahrung gemeint war, war anscheinend nebensächlich.
Aber was hat das mit der Universität Innsbruck zu tun?
Dazu haben wir ein Interview mit Alwin Cubasch und Julia-Katharina Neier geführt, die sich in ihrer Forschung mit Ernährung im Weltraum aus einer geschichtswissenschaftlichen Perspektive auseinandersetzten. Alwin Cubasch arbeitet gerade an seiner Doktorarbeit zum Thema „Spacefood“ und Julia-Katharina Neier war die studentische Mitarbeiterin, die ihn im Rahmen eines Richard-und-Emmy-Bahr-Stipendiums unterstützte. Im Fokus ihrer Forschung standen mehrere Raumfahrtmissionen der NASA in den 1960er und 1970er Jahren. Cubasch durchforstete die NASA-Archive nach Dokumenten, während Neier digitalisierte Gespräche der Astronauten auswertete. Recorder nahmen jedes einzelne Wort im Weltraum auf. Die Abschriften dieser Gespräche sind heute frei verfügbar und bildeten die Grundlage für Neiers Forschung. Dabei kamen u.a. auch teils kuriose Ergebnisse zutage, wie der folgende Dialog zeigt:
William A. Anders (Lunar module pilot): Also, might tell Doc Frome that his toothpaste tastes pretty good. I don’t know what kind of job it does on your teeth but it’s nice for settling your stomach after dinner.
William A. Anders (Lunar module pilot): Anything else, Frank?
James A. Lovell, Jr. (Command module pilot): We used it for frosting on the fruitcake.
Neben solchen erheiternden Passagen gingen Cubasch und Neier vielen verschiedenen Fragen rund um die Ernährung und der kulturellen Praxis des Essens nach. Im Untersuchungszeitraum ihrer Forschung war die Ernährung eines Astronauten (die erste weibliche Astronautin flog erst 1983 in den Weltraum) ein neues Feld für die NASA-Wissenschaftler*innen. Die Ingenieur*innen mussten Nahrungsmittel „erfinden“, die gleichzeitig leicht, haltbar und dennoch reich an Nährstoffen waren.
Wie, es schmeckt nicht?
Zum Unmut der Astronauten war die geschmackliche Komponente vorerst kaum ein wichtiger Faktor. Nicht nur der Inhalt der Nahrung stellte die Wissenschaftler*innen vor neue Probleme, auch wie diese verpackt werden musste, war das Produkt von jahrelanger Forschung. Und trotzdem ging auch diesbezüglich einiges schief. Simpsons-Kenner können sich vielleicht an Homer im Weltraum mit einer Packung Chips erinnern… Die Astronauten „kämpften“ regelrecht mit den Verpackungen von u.a. Orangensaft, welche aufplatzten und der Helm am Raumanzug festklebte. Oder aber: Die Packungen gingen erst gar nicht auf.
Die Anreicherung der Nahrung mit z.B. Kalium bei der Apollo 16 Mission war nicht ideal für die Verdauung. Zwar waren diese vom Nährstoffgehalt physiologisch perfekt an das Leben in der Raumkapsel angepasst, jedoch führte es bei manchen zu üblen Flatulenzen – bis zu 500-mal am Tag, was sich nicht unbedingt positiv auf das Raumklima auswirkte, von den Aktivkohlefiltern ganz zu schweigen.
Cubasch und Neier sahen sich aber u.a. auch die Auswirkungen der technischen Entwicklungen auf die Astronauten genauer an und gingen auch der folgenden Frage nach: Waren die Astronauten im Weltraum selbst Forscher, die Experimente mit neuen Nahrungsmitteln durchführten? Oder waren sie einfach ein Teil des ernährungstechnischen Experiments?
Vom Herd zur NASA
Auch gesellschaftlich relevante Themen, wie Genderaspekte, wurden von Cubasch und Neier näher betrachtet. So fanden sie heraus, dass in einem Fall die Ehefrau eines Astronauten für Fragen rund um Lebensmittelhaltbarkeit herangezogen wurde. In den 1960er Jahren war es noch üblich, dass die „Hausfrau“ traditionell für das Kochen zuständig war. Und so wurde die Frau des Astronauten als zusätzliche Beteiligte bei Entscheidung über das leibliche Wohl ihres Gatten befragt und in die Forschung eingebunden – konkret ging es in diesem Fall um einen Thunfisch-Aufstrich: Die renommierten NASA-Expert*innen konnten sich bezüglich eines geöffneten Thunfisch-Aufstrichs nach längerer Analyse nicht einigen, ob dieser noch essbar wäre. Schlussendlich zogen sie die Ehefrau des Astronauten zu Rate.
Auch kulturelle Einflüsse von anderen Nationen erwähnte Cubasch im Interview. Der bereits erwähnte Homer Simpson sorgte für einiges an Chaos durch die schwerelosen Chips. Das hat aber auch einen ernsten Hintergrund: Brösel können ein Risikofaktor für das empfindliche Equipment an Bord von Raumkapseln sein, jedoch wollten die Astronauten nicht darauf verzichten. Die Lösung kam von einem mexikanischen Astronauten, der Tortilla mit an Bord nahm. Diese passten geschmacklich und bröselten nicht – einfach und genial zugleich.
Falls wir euch die Geschichte über „Spacefood“ schmackhaft machen konnten und ihr mehr über „Essen in den Unendlichen Weiten des Weltraums“ bzw. die Forschung dahinter wissen wollt, könnt ihr auf das frei zugängliche Paper von Cubasch und Neier unter folgendem Link zugreifen.
Link zum Paper:
https://arrow.tudublin.ie/cgi/viewcontent.cgi?article=1208&context=dgs